Der Wüstenfalke trifft auf Batman

Der Verleger Volker Hamann erfüllt sich einen Jugendtraum: Mit Alfonz bringt er ein Magazin für den deutschsprachigen Comicraum heraus. (veröffentlicht auf zeit.de)

Volker Hamann war 16, als er mit zwei Freunden sein erstes Comic-Magazin veröffentlichte. Es nannte sich Comic Reddition und war in klassischer Fanzine-Optik gehalten, schwarz-weiß, kopiert, mit Schere-Papier-Kleber-Layout. Die Komplettauflage von 32 Exemplaren lag in Dietschis Comicshop in Hamburg aus. Das war im Januar 1984.

Die Reddition gibt es heute noch, etwa zweimal im Jahr erscheint sie, längst handelt es sich um professionell gemachte Hefte. Sie widmen sich seit geraumer Zeit monothematisch einem Schwerpunkt, meist comichistorischen Themen, etwa Rolf Kauka oder der Geschichte des italienischen Comics. Zusätzlich hat Hamann in seinem als Überbau gezimmerten „Verlag für graphische Literatur“, der Edition Alfons, über die Jahre auch noch Sachbücher herausgegeben und veröffentlicht seit 2011 gemeinsam mit Matthias Hofmann die jährliche Anthologie Comic-Report. Und um Geld zu verdienen, arbeitet der heute 44-Jährige beim Versandhändler Hummelcomic und schreibt als freier Mitarbeiter für Verlage wie Carlsen oder Splitter.

All das hat Hamann offenbar noch immer nicht ausgefüllt, so dass er sich nach knapp 30 Jahren Verlegertätigkeit seinen Jugendtraum ein zweites Mal erfüllt hat: Mit Alfonz ein General-Interest-Magazin für den deutschsprachigen Comicraum herauszugeben. Auch hier ist Matthias Hofmann Ko-Herausgeber und nach zwei digitalen, kostenlos downloadbaren Nullnummern (Ausgabe 0a und 0b) erschien im Juli die offizielle Erstausgabe.

Als Zielgruppe nennt Hamann „Leser, die sich nur ein Mal pro Monat auf der Fahrt zur Arbeit ein Comicalbum für die S-Bahn kaufen“ wie auch„den Fan oder Sammler, der sich in allen Genres zu Hause fühlt und umfassend informiert werden will“. Um all diese Menschen zufrieden zu stellen, soll Alfonz „über sämtliche Spielarten von Comics aus allen Ländern gleichbedeutend“ berichten – sofern sie parallel zur aktuelle Ausgabe erscheinen oder sonstwie relevant erscheinen. Und ausdrücklich auch über Mangas, „die es unserer Meinung nach verdient haben, über die von Kindern und Jugendlichen mit so viel Begeisterung gelesenen Mainstreamtitel hinaus wahrgenommen zu werden“.

Viele Formen, viele Themen

Hohe Ansprüche, die in der Erstausgabe von Alfonz zu einem guten Teil erfüllt werden. Diverse journalistische Formen werden bedient, diverse Comic-Genres abgedeckt, die Mischung stimmt: Sie reicht vom großen Porträt über den spanischen Zeichner Vicente Segrelles, der durch seine in Öl gemalten Fantasycomics berühmt wurde, bis zu kleinen Protokollen, in denen Autoren über ihren Umgang mit Originalzeichnungen erzählen. Von einem Streitgespräch über das Dritte-Reich-verherrlichende Fliegercomic „Der Wüstenfalke“ bis zur Analyse des Neustarts des DC-Superheldenuniversum. Von einem Doppel-Interview mit dem Marsu-Kids-Zeichnerehepaar Didier Conrad und Wilbur bis zu Querschnittsthemen wie die Tour de France im Comic. Von einem Bericht vom Comicfestival Fumetto in Luzern bis zum Außenseiter-Manga „I am Hero“. Kolumnen vom französischen und US-Markt sowie kleinere Rezensionen bilden zusätzlich feste Rubriken.

Für Comicinteressierte sollte Alfonz damit sowohl Überraschungen als auch Anknüpfungspunkte bieten. Das Layout ist abwechslungsreich – auch wenn es keine Designpreise gewinnen wird, dafür ist es etwas zu bieder und unaufgeräumt – und man spürt auf fast allen Seiten die Liebe, mit der hier gearbeitet wurde, zum Heft und seinem Betrachtungsgegenstand.

Gibt es auch einen Haken? Leider ja, und nicht den kleinsten: Die Qualität der meisten Texte fällt bei alldem deutlich ab. Zumal wenn mittendrin der Popfeuilletonist Georg Seeßlenüber „das neue Supermedium Comic/Film“ schreibt, für seine Verhältnisse auch noch ziemlich zugänglich, und so die Fallhöhe deutlich definiert.

Wobei in den Texten keine klaren Fehler sind. Es ist nur handwerklich alles etwas schlicht. So wird nicht groß versucht, Comics oder ihre Entwicklungen in größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen zu deuten oder daraus Trends abzuleiten. Das Magazin bleibt fast immer am Werk. Das Vokabular ist mitunter insiderisch oder durchsetzt von Bratwurstbegriffen, die es eigentlich nicht durch ein halbwegs strenges Redigat schaffen sollten: Da ist von der „agilen Vampirjägerin“ die Rede, bei der nach sieben Staffeln „der Ofen aus“ war, da zeigt einer mit seinen bisherigen Comics, „wo der Hammer hängt“, anderswo ist „das Ende der berühmten Fahnenstange erreicht“, mal schlägt ein Buch „beim Lesen ein wie eine Bombe”, mal sind die Zeichnungen „nicht ‘der Burner’, wie es in neudeutschem Jugendsprech wohl heißt“.

Ein professionelles Fanzine

Und so ist Alfonz trotz der professionellen Aufmachung eben doch ein Fanzine. Aus der Szene für die Szene und für ein paar interessierte Außenstehende; für alle anderen ungefähr so interessant wie ein Metalmagazin oder ein Angelmagazin. Aber ein Fanzine mit Potenzial, zumal die Konkurrenz überschaubar ist, die meisten deutschen Magazine haben Spezialnischen gefunden: Zack veröffentlicht in erster Linie Comics und hat nur einen kleinen Infoteil. Die Sprechblase ist deutlich auf Klassiker ausgerichtet, das Schweizer Strapazin bearbeitet mit seinem Kunstbezug die feuilletonistischen Ränder der Comicwelt.

Bleibt als direkter Konkurrent die Comixene – ausgerechnet, hatte doch deren 1982 eingestelltes Original in den frühen Achtzigern Hamann und seine Schulfreunde zur Gründung der Reddition angeregt. Die seit 2003 erscheinende Drittinstanz der Comixene aber habe es aber „in der letzten Zeit nicht mehr geschafft, ihrem Anspruch, regelmäßig und aktuell über Comics zu berichten und zu informieren, gerecht zu werden“, sagt Volker Hamann. „Auch inhaltlich geht sie andere Wege als wir.“ Womit er meint, dass sie nicht immer das gesamte Comicspektrum im Heft abdeckt.

Ausgelegt ist Alfonz vorerst auf vier Hefte, falls die erste Ausgabe erfolgreich ist, wonach es laut Hamann momentan aussieht. Die Auflage beträgt 6.000 Exemplare, bei einem etwas eigentümlichen Preis von 6,95 Euro und einer Distribution, die zu einem Drittel über Comicspezialgeschäfte läuft, zu einem Großteil aber über den Presse- und Bahnhofsbuchhandel.

„Langfristiges Ziel ist es, dass wir Alfonz im Pressehandel erfolgreich platzieren und verkaufen können“, sagt Hamann. „Denn nur so gelingt es, neue Leser von den Qualitäten eines Comics überzeugen zu können.“