Bedrückende Collagen vom Krieg

Grandios illustriert, etwas platt beschrieben: Der Journalist David Schraven und Zeichner Vincent Burmeister haben eine Comicreportage über Afghanistan geschaffen. (veröffentlicht auf zeit.de)

kriegszeiten

Man kann das Vorhaben zunächst nur gutheißen: Da tun sich ein Journalist (David Schraven) und ein Comiczeichner (Vincent Burmeister) zusammen und arbeiten ein aktuelles Nachrichtenthema auf, in Form einer grafischen Reportage. Das alles so packend und klar geschrieben wie gezeichnet, dass auch nicht explizit politische Menschen einen Zugang finden und bis zum Ende dranbleiben können. Und dann ist es auch noch kritisch. So sieht doch mal politische Aufklärung aus.

Das aktuelle Thema ist der Krieg, den Deutschland seit mehr als zehn Jahren in Afghanistan führt und der längst verloren ist. Ganz genau: Krieg. Nicht Einsatz oder Mission. Genau das ist eine der beiden Hauptanklagen von Kriegszeiten: Wie die deutsche Öffentlichkeit von den verschiedenen Bundesregierungen systematisch mit einer verdrucksten Rhetorik von „Friedensmissionen“ und „Entwicklungshilfe in Uniform“ geblendet wird – und so die Transformation der Bundeswehr zu einer Armee, die auch nach Afghanistan weitere Kriege in der Welt führen wird, ganz nebenbei und ohne laute öffentliche Debatte abläuft.

Der zweite Anklagepunkt: Die internationale Einsatzleitung hat keine Strategie, keine Vorstellung davon, wie sie dieses komplexe Land Afghanistan, mit seinen Stämmen, seiner konfliktreichen Vergangenheit, seiner Geografie befrieden kann. Stattdessen wurschtelt man sich von Operation zu Operation, lässt sich mit Verbrechern ein und erkauft sich die Sympathie der Bevölkerung durch millionenschwere Infrastruktur- und Polizeiausbildungsprogramme. „Diese Männer haben die Russen besiegt – wir erklären ihnen Straßensperren“, sagt einer der deutschen Soldaten. Doch Afghanen könne man nicht kaufen, sagt eine alte Weisheit, sondern nur mieten.

Truppenbesuche und Interviews

Nach Arne Jyschs fiktiver Geschichte Wave and Smile ist Kriegszeiten bereits die zweite von Carlsen verlegte Comic-Auseinandersetzung mit dem Afghanistankrieg innerhalb eines halben Jahres. Dem Buch liegen umfangreiche Recherchen zugrunde, David Schraven las tausende Aktenseiten, besuchte die deutschen Truppen vor Ort, führte Interviews mit Soldaten. Die erzählen von Lagerkoller und vom Brunnenbauen („Bis zu fünfzig Deutsche sichern vier Albaner“), aber auch von Anschlägen auf Panzerfahrzeuge und der „Operation Halmazag“, einer tagelangen, sorgsam vorbereiteten Schlacht der internationalen Truppen gegen die Taliban.

Diese Gesprächsprotokolle bilden das Gerüst von Kriegszeiten, das mit den Anschlägen des 11. September 2001 einsetzt, dem offiziellen Auslöser für den Afghanistankrieg, und sich dann, mit zum Teil größeren Sprüngen, bis ins Jahr 2010 vorarbeitet. Ergänzt werden die exemplarischen Schilderungen von Hintergründen, Analysen und ein paar direkten Anmerkungen von David Schraven, der auch mehrfach selbst in Vincent Burmeisters Zeichnungen auftaucht. Die sind grandios: einerseits realistisch, andererseits haben sie durch ihre starken Schwarz-Weiß-Kontraste und die markante Farbgebung in flächigen Ocker-, Orange- und Erdtönen eine unheimlich hohe Ausdruckskraft. Abstrakte Zusammenhänge und Hintergründe werden in atemberaubenden Collagen visualisiert.

Der 42-jährige Autor David Schraven schrieb in den vergangenen zwanzig Jahren unter anderem für die taz, die Süddeutsche - und die Neue Zürcher Zeitung. Er gründete 1996 das “Nachrichtenbüro Zentralasien/Kirgisien”, war Wirtschaftsreporter der Welt und gewann den Wächterpreis, heute leitet er das Rechercheressort der WAZ-Gruppe. Schraven ist das, was man einen kritischen Journalisten nennt. Einer der aufdeckt, der mahnt.

Effektvolle Anklagen

Das tut er auch in Kriegszeiten. Sicherlich berechtigt, doch sind manche der Anklagen und Fragen in bester Michael-Moore-Rhetorik eher effektvoll als zielführend. „Irgendwen macht den Krieg sehr reich. Aber macht das Afghanistan sicher?“ ist so eine Stelle. Oder auch: „Tatsächlich wurde der Afghanistaneinsatz zum Thema der deutschen Innenpolitik. Gleichrangig mit der Schließung von Zechen oder der Erhöhung von Hartz IV um fünf Euro. Es geht um Wahlen… dabei starben in Afghanistan deutsche Soldaten.“

kriegszeitencoverDas bleibt so stehen. Nun darf und soll man natürlich auch kritische Fragen stellen, ohne die Antworten zu wissen. Außerdem kann man auf 128 Comicseiten sicherlich nicht den gesamten Afghanistankonflikt analysieren. Aber trotzdem wirken die Auswahl und das Arrangement der Fakten, Szenen und Aussagen mitunter ziemlich plakativ und so ist zumindest eine Front klar in diesem unübersichtlichen Krieg: Auf der einen Seite stehen geltungssüchtige, inkompetente Politiker, die ohne Sensibilität für die Umstände vor Ort eine fatale Außen- und Verteidigungspolitik betreiben. Und auf der anderen Seiten stehen, als Opfer dieser Planlosigkeit, die deutschen Truppen an der Front, von denen sich Schraven bewusst kaum distanziert.

Im Nachwort schreibt er: „Es gibt viele tausend tapfere Soldaten, die den Mut haben, den Auftrag des deutschen Parlamentes in Zentralasien, fern der Heimat, zu erfüllen. Sie kämpfen für uns.“

David Schraven, Vincent Burmeister: Kriegszeiten; Carlsen, Hamburg 2012; 128 S., 16,90 €