Der deutsche Disney
Das Comic-Magazin Reddition widmet seine aktuelle Ausgabe dem genialen Selbstvermarkter Rolf Kauka. Er wurde als Schöpfer und Verleger von Fix und Foxi bekannt. (aus der taz vom 7. Juni 2012)Das deutsche Entenhausen hieß Fuxholzen. Hier lebten Fix und Foxi mit Freunden und Familie – bis 1994 ihre Comicheftreihe, die in den Sechzigerjahren noch wöchentliche Auflagen von 400.000 verzeichnete, eingestellt wurde. Mehrere Wiederbelebungsversuche scheiterten. Trotz einiger Auslandslizenzen blieben Fix und Foxi ein Phänomen, das nur im Kontext der von Bonn regierten BRD funktionierte – genau wie ihr Schöpfer Rolf Kauka, 1917 geboren, dem Idealtypus des Wirtschaftswunderunternehmers entspricht. Geschäftssinn, Skrupellosigkeit, Mut und Charisma zeichneten Kauka aus, in seinen markanten Editorials („Liebe Freunde …“) präsentierte er sich als der allgegenwärtige kreative Kopf seines Verlagsimperiums, das er nach Gutsherrenart führte und im Trial-and-Error-Verfahren immer weiter ausbaute – unter anderem gehörten Tom und Biber und das bis heute existierende Bussi Bär zum Kauka-Portfolio. Dabei war Kauka kein begnadeter Zeichner, sondern, ähnlich wie Walt Disney, vor allem ein Entrepreneur und Selbstvermarkter. Seinen Erfolg verdankte er einem arbeitsteiligen Studiosystem, umfangreichem Merchandising und der urheberrechtlichen Ausbeutung seiner Mitarbeiter. Zudem brachte Kauka diverse frankobelgische (heutige) Klassiker, von Gaston bis Lucky Luke, nach Deutschland. Asterix im Kalten KriegWobei er es mit den Übersetzungen recht frei hielt – so frei, dass aus Asterix und Obelix eine von plumpen Kalter-Krieg-Anspielungen durchsetzte Erzählung über die Germanen „Siggi und Babarras“ wurde. Das passte gut zu dem als konservativ bis deutschnational geltenden Kauka. Seine Comics setzten auf Märchen- und Abenteuerstoffe, sein Fuxholzen verkörperte die bieder-heile Welt der süddeutschen Provinz. Einen extrem detaillierten Einblick in das Schaffen Rolf Kaukas gibt die aktuelle Ausgabe des Comicmagazins Reddition (10 Euro). Die „Zeitschrift für Graphische Literatur“ erscheint seit 1984 meist zweimal pro Jahr, Herausgeber Volker Hamann war 15, als er sie als typisches Comic-Fanzine startete: mit zusammenkopierten Schwarz-Weiß-Seiten und einer Auflage von 32 Exemplaren. Stets wird genau ein Thema behandelt, wobei sich die Reddition der Aufarbeitung vergangener Jahrzehnte verschrieben hat, von Will Eisner über die Nouvelle Ligne Claire bis zum italienischen Comic. „Magazin“ beschreibt dabei vor allem die äußere Erscheinungsform derReddition, mit DIN-A4-Seiten, Vierfarbdruck und vielen Bildern. Inhaltlich handelt es sich eher um ein Fach- und Sachbuch für Freunde speziellen Kulturwissens, was mitunter schwierig ist: Ab und an kippt der Schreibstil von sachlich in trocken, und eine nerdhafte Präzision und Ausführlichkeit bei der Nennung von Personen, Zahlen und Verlagsbeteiligungen steht im Zweifel vor gutem Lesefluss. Auch die Beschränkung auf Fließtexte – es gibt keine Rubriken, keine Bildstrecken, keine kleinen Elemente oder andere Rhythmusgeber – macht das Heft nicht zugänglicher. Das ist schade, denn die umfassende Charakterzeichnung Kaukas ist wirklich lesenswert, genau wie das Insiderwissen über Vorgänge und Verwerfungen im Kauka-Verlag oder die Analyse von Geschäftsmodellen und Marketingpraktiken – etwa der mehrfache Imagewechsel des Wolfs Lupo vom Schnorrer zum Mod zum Hippie und wieder zurück. Flickenteppichartige BilderflutUngewohnt ist auf den ersten Blick auch das Layout: Pro Seite sind mehrere kleine Bilder – Magazinseiten, Anzeigen, Merchandisingartikel und alte Fotos – neben und in den Text eingebunden. Diese Bilderflut wirkt zunächst flickenteppichartig und unruhig, ist aber Konzept: „Wichtig ist für mich, ebenso wie im Comic, die lineare und logische Abstimmung von Text und Bild“, sagt Volker Hamann. Die Artikel sollten „mit sinnvollen und möglichst unbekannten aussagekräftigen Beispielen“ illustriert sein. Was gelingt: Hat sich das Auge erst mal an die kleinteiligen Seiten gewöhnt, sorgen die Zeitdokumente, auch dank ihrer heute eigentümlich erscheinenden Sprache, für die Atmosphäre, die den Texten oftmals fehlt. |