Der erste Hund im All

Poetisch, präzise und psychologisierend: Nick Abadzis’ Graphic Novel über Laika, die als Weltraumreisende der Sowjetunion im Kalten Krieg zu Ruhm verhelfen sollte (veröffentlich auf fluter.de)

Am 3. November 1957 startete die Sowjetunion ihren zweiten Weltraumsatelliten. An Bord der Sputnik II: Laika, eine kleine Mischlingshündin, die als erstes Erdlebewesen im All in die Geschichte einging. Für Laika war der Flug eine Reise ohne Wiederkehr. Ihr Schicksal rührte Menschen auf der ganzen Welt, sie wurde zu einer kleinen Ikone der Popkultur.

Vor diesem Hintergrund entspinnt der britisch-schwedische Autor Nick
seine mit dem Eisner Award als bester Jugendcomic ausgezeichnete Graphic Novel „Laika“. Neben der fiktiven Vorgeschichte Laikas als Straßenhund schildert er detailliert die Arbeit in den Laboren der russischen Weltraumforscher, die mit zahlreichen Hunden Parabelflüge und Schwerelosigkeitstrainings durchführten, um sich auf die bemannte Raumfahrt vorzubereiten. Hier steht die Arbeit des Wissenschaftlers Oleg Gasenko und der Hundebetreuerin Jelena Dubrowskaja im Mittelpunkt. Vor allem Jelena kümmert sich aufopfernd um ihre Tiere und gerät zunehmend in einen Konflikt, als sie eine zu enge emotionale Beziehung zu ihnen aufbaut.

Aber auch die permanent angespannte Atmosphäre, die innerhalb der Forschungseinheit herrscht, wird beschrieben sowie die politische und historische Dimension des Projekts. In den 1950er Jahren sah die Menschheit noch mit ungebrochenem Fortschrittsglauben die Eroberung des Alls als ihre nächste große Aufgabe an. Zugleich war die Weltraumforschung ein wichtiges Propagandainstrument im Kalten Krieg: Mit dem Start der Sputnik I düpierte das Sowjetreich im Oktober 1957 die westliche Welt.

Auf Geheiß von Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow musste danach binnen eines Monats, pünktlich zum 40. Jahrestag der Russischen Revolution, ein zweiter Satellit ins All geschossen werden. Eine beinahe unmögliche Aufgabe für die Konstrukteure, und so war es unter dem enormen Zeitdruck unmöglich, eine Rückholoption für Laika fertig zu planen. Auch sonst konnte nicht mit voller Präzision gearbeitet werden: Laikas Kapsel war schlecht isoliert, schon nach knapp fünf Stunden starb sie an Überhitzung – was erst Jahrzehnte später bekannt wurde.

Abadzis’ Erzählweise wechselt zwischen poetisch, präzise und psychologisierend, die geschichtlichen Zusammenhänge der Stalin- und Chruschtschow-Zeit werden mit naiv anmutenden Passagen aus dem Leben des kleinen Hundes sowie moralischen Fragestellungen gegengeschnitten. Die Charaktere sind differenziert dargestellt – etwa der mächtige und brillante Chefkonstrukteur Sergei Pawlowitsch Koroljow, der skrupellos am Erfolg der Mission arbeitet und gleichzeitig, als ehemaliger Häftling eines der Vernichtungslager Stalins, permanent um seine innere Fassung ringen muss.

Den groben, leicht expressionistisch angehauchten Zeichenstil von Abadzis mit seinen oft fratzenartigen Gesichtern und verschobenen Proportionen muss man dabei allerdings mögen – genau wie die oftmals sehr kleinteilige, gehetzt wirkende Panelstruktur. Und leider ist das Lettering – die Sprechblasenbeschriftung – der deutschen Ausgabe ziemlich lieblos geraten. An der Vielschichtigkeit von „Laika“ ändert das aber nichts.

Nick Abadzis: Laika (Atrium-Verlag 2011, 202 S., 20 €)