Konventionelle Unkonventionalität

Mit „Aufstieg und Fall“ wagen Berliner Studenten den Sprung auf den Zeitungsmarkt. Die Textqualität ist schwankend, grafisch wurde saubere Arbeit abgeliefert. (aus der taz vom 8. Juli 2009)

aufstiegundfall

Antizyklisch solle man handeln, heißt es ja immer. Sprich: mitten in der Zeitungskrise mit wöchentlichen Todesmeldungen einfach mal ein neues Magazin mit einer 10.000er-Auflage deutschlandweit an die Kioske zu bringen. Gewagt hat das allerdings kein Verlag, sondern ein studentischer Verein aus dem Umfeld der Universität der Künste Berlin. Eine kostenlose Studentenzeitung hatte man schon länger herausgegeben, im Sommer 2008 überlegte man sich, dass es auch ein paar Nummern größer sein darf.

Das Ergebnis heißt Aufstieg und Fall (5,80 Euro) und ordnet sich in das wachsende Segment der unabhängigen Kultur- und Gesellschaftsmagazine ein, zu dem unter anderem auch DummyLiebling und Cargo gehören.

Im Heft herrscht konventionelle Unkonventionalität, eine Mischung aus abseitigen Themen und Bildstrecken, alles ist ziemlich Berlin, kunsthochschulig und artsy-fartsy. Mit zehn Texten – zwei davon auf Englisch – auf rund 100 Seiten ist alles eher übersichtlich angeordnet. Alibi-Rubriken und Servicethemen wurden konsequent ausgespart.

Kühle Bildsprache

Oberthema ist der Zeitungsname: Aufstieg und Fall. Daraus kann man ja so ziemlich alles machen, konkret ist das dann: Hochschlafen im Büro, ein Interview mit einem Trendscout, die Geschichte des Riesenbetrugs von Bernie Madoff, eine Strecke mit Häppcheninfos zu Flugzeugabstürzen, die sieben Leben einer Katze in Form von Minigeschichten, ein intelligenter Bogenschlag von Michael Jacksons Selbstinszenierung zu den Pharaonen. So was halt.

Die Textqualität ist schwankend, grafisch wurde hingegen saubere Arbeit abgeliefert: eine kühle, roughe, teils opulente Bildsprache, die vom nicht hochglänzenden Papier zusätzlich unterstützt wird.

Die ersten Rückmeldungen vom Vertrieb sind positiv, an manchen Kiosken ist Aufstieg und Fall bereits ausverkauft. Klingt wie ein publizistisches Märchen, das aber einen Haken hat: alle Beteiligten mussten ehrenamtlich arbeiten, damit es funktioniert. “Wir müssen noch kein Kind ernähren und kein Haus finanzieren und können das jetzt machen”, sagt Sandra Broschat, eine der drei Projektleiterinnen. Autoren konnte man über studentische Verteiler und private Kontakte gewinnen, mit Ariadne von Schirach ist ein prominenter Name dabei.

Einmaliger Studentenbonus

Zudem habe man „vom Studentenbonus, durch den wir bei Druckereien und Papierhersteller Freundschaftspreise bekommen haben“, profitiert. Aber der sei jetzt weg. Für die kommenden Ausgaben wird der Anzeigenpreis daher vom bisherigen Dumpingpreis von 1.000 Euro für eine Seite verfünffacht. Es wird sich zeigen, ob man dann immer noch auf rund 20 Prozent verkaufte Anzeigenseiten kommt.

Magazine wie Aufstieg und Fall sind für den Printjournalismus Segen und Fluch zugleich: So toll es einerseits ist, dass ein Magazin mit viel Herzblut und der puren Lust des Blattmachens wegen produziert wird und dann auch noch gelungen ist – so gefährlich ist andererseits, wenn im gegenseitigen Unterbietungswettbewerb der Eindruck entsteht, neue Magazine könne man nur noch komplett honorarfrei auf den Markt bringen.

Da kann man nur hoffen, dass dem Team von Aufstieg und Fall die Synthese gelingt und es sein Ziel – professionelle Strukturen und wirtschaftliches Arbeiten – erreicht. Im Oktober soll das zweite Heft folgen.

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