Keine Bärchenfressen

Lebensgefühl statt Wickeltipps: Mit seinem neuen Hochglanzmagazin Nido will Gruner+Jahr die Zielgruppe der jungen urbanen Eltern erobern und ihnen beim Nestbau assistieren. (aus der taz vom 17. April 2009)

zoom_NIDO_cover_01„Eltern – das sind seltsame Menschen, die nicht mehr zurückrufen und ungefragt Geschichten erzählen, die nur mäßig interessieren.“ Sagt Timm Klotzek, 36, einer der beiden Chefredakteure der Neon. Der Mann ist selbst seit einigen Jahren Vater, er darf das also. Und außerdem hat er sich in letzter Zeit recht ausgiebig mit dem Elterndasein beschäftigt. Für sein neues Projekt, dem er ebenfalls als Chefredakteur vorsteht: Nido. Ein Hochglanzmagazin für junge Eltern, das heute erstmals erscheint – zunächst als Einzelausgabe, für 3,90 Euro.

Moment, Hochglanzmagazin, junge Eltern? War da nicht was? Genau: Erst im Herbst versuchte sich der Süddeutsche Verlag mit dem eher lieblos konzipierten Lifestylemagazin Wir. Nach einer Ausgabe war wegen schwacher Verkaufszahlen auch schon wieder Schluss. Klotzek möchte sich zum Wir-Debakel nicht äußern, gibt sich für Nido aber auch bei schwieriger Marktlage trotzig-zuversichtlich. Als einziger Gruner+Jahr-Neustart 2009 ist Nido ein Hoffnungsträger. 24 Anzeigenseiten habe man verkauft, von der Startauflage von 200.000 Heften soll mindestens ein Drittel verkauft werden.

Die angepeilte Zielgruppe klingt aber auch wirklich verlockend: Junge Eltern mit überdurchschnittlicher Bildung und entsprechendem Einkommen. Sie leben in Vierteln wie Berlin-Prenzlauer Berg und sind gerne bereit, ihren kleinen Kindern, die vermutlich Maximilian und Lena-Karlinda heißen, nur das Allerbeste zu bieten. Es ist die Zeit des Nestbaus – Nido ist das spanische Wort für Nest – also kauft man eine große neue Küche, das gute Holzspielzeug, Biolammfleisch und eben auch „wertige“ Zeitschriften.

Elternzentriert, nicht kindzentriert

Erreichen will man diese neuen Eltern mit dem in der Neon sattsam erprobten Prinzip des “Lebensgefühl-Journalismus”. Das Heft sei „elternzentriert, nicht kindzentriert“, sagt Klotzek, für Menschen, die als Elternteil auch Mensch bleiben wollen. Inhaltlich und gestalterisch verhält sich Nido also zum altehrwürdigen und ebenfalls bei Gruner+Jahr laufenden Titel Eltern wie die brand eins zum Manager Magazin oder die 11 Freunde zum Kicker. Ratgeberjournalismus mit Wickeltipps, Gesundheitsberatung und Breirezepten sucht man vergebens.

Stattdessen gibt es viele schöne Geschichten, für die es in der deutschen Zeitschriftenlandschaft bisher kein richtiges Zuhause gab: das Protokoll einer Weltreise mit zwei kleinen Kindern, eine Reportage über kollektive Kindererziehung in einem Dorf in Ghana, ein Interview mit Daniel Cohn-Bendit über antiautoritäre Erziehung und seine Zeit als Erzieher in einem Kinderladen, der schwere Weg eines Paares, das in Kolumbien einen Jungen adoptieren wollte, oder eine Bildstrecke mit Kindern aus aller Welt, die ihr Spielzeug erklären. Neben fünf festen Redaktionsmitgliedern wurden auch Autoren wie Moritz von Uslar, Hans-Ulrich Jörges und Gerhard Polt gewonnen. Drumherum verteilen sich ein paar dann doch ratgeberhafte Erklärstücke, etwa über Risikolebensversicherungen oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zwei Laberrhabarberkolumnen und das unvermeidliche Thema „Guter Sex trotz kleiner Kinder“.

Und noch ne Fotostrecke

Vieles ist allerdings auch eher willkürlich, besonders auf den wimmeligen Auftaktseiten der fünf Ressorts (Gesellschaft, Psychologie, Reise & Kochen, Wirtschaft & Geld, Mode & Produkte). Wer braucht schon noch den Tipp, mal die Stromanbieter zu vergleichen? Vor allem nach hinten raus franst das Heft arg aus: Da kommt dann noch die vierte, fünfte, sechste Fotostrecke, einige Produkttests und der „Kulturteil“ mit Nora-Tschirner-Interview und ein paar Rezensionen, der genau so auch in einem besseren Stadtmagazin stehen könnte.

Aber vielleicht sind die Inhalte eh nicht so wichtig – denn die Verpackung stimmt: eine glasklare und trotzdem prägnante Typografie, aufgeräumte Grafiken, Mut zum Weißraum und hochwertige eigenproduzierte Fotos. So möchte man die Eltern erreichen, die, wie Klotzek sagt, „genervt davon sind, den ganzen Tag Dinge mit Bärchenfressen und Knubbelnasen-Halbmonden drauf“ anzuschauen. Könnte klappen.