Kein Kuschelhaustier-Journalismus

Das neue Magazin Zoón wirft einen abseitig-klugen Blick auf das Verhältnis von Mensch und Tier. Die Themenauswahl ist großartig, das Textniveau leider durchwachsen. (aus der taz vom 3. Mai 2010)

Die isländisch-britischen Kabeljaukriege, die mafiösen Methoden thailändischer Vogelnesthändler oder die Entlassung eines italienischen Fernsehkochs, der von Katzenrezepten geschwärmt hatte: Es gibt zahllose spannende Geschichten über Tiere, doch leider schreibt sie kaum jemand auf. Das will nun Zoón ändern, dessen Erstausgabe (Verkaufspreis: 5,90 Euro) am Freitag erschienen ist.

Zoón besetzt eine Leerstelle im deutschen Tierjournalismus. Den dominieren Kuschel-Haustier-Blätter aus der Ein Herz für Tiere-Liga und spröde, hyperspezialisierte Fachzeitschriften für Einzelgattungen. Der einzige Ausreißer war bisher Gruner+Jahrs dogs, das Lifestyle-Hochglanzcharakter ausstrahlt. Der Stallgeruch von Zoón ist hingegen eher naturwissenschaftlich-sachlich. Die Faszination an der Tierwelt funktioniert hier über Beobachten und Verstehen oder die Einordnung in übergeordnete kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge.

So tut Zoón ein bisschen das, was 11 Freunde vor zehn Jahren mit den Fußballjournalismus machte: einen alternativen, intelligenten Blick auf ein bekanntes Feld werfen, mit überraschenden Themen, die auch Nicht-Tierbesitzer interessieren können. Auch Insa Voss, Chefredakteurin und mit Viktor Sammain Erfinderin von Zoón, nennt 11 Freunde als Vorbild: „Immer wenn ich es gesehen habe, dachte ich: Genau das müsste es doch auch für Tiere geben. Allein wie es sich anfühlt.“ Deshalb habe man auch ein dezentes Layout und mattes, griffiges Papier gewählt: „Damit sich der Leser ernst genommen fühlt.“

Auch was für Oma und Tante

Diesen Leser beschreibt Voss als „Leute wie uns: die sich für ihre Umwelt interessieren, aber keine fanatischen Tierschützer sind, zwar bewusst essen, aber auch Fleisch.“ Und, ganz wichtig: „Wir machen kein Heft nur für Berlin-Bewohner, sondern auch für 70-Jährige. Ich habe auch meine Oma oder Tante vor Augen.“

So weit zur Idee. Die Umsetzung hat leider noch ein paar handwerkliche Schwächen – mitunter merkt man Zoón an, dass es von einer Dreipersonen-Redaktion in Insa Voss’ Wohnung gestemmt wird. Die Heftgestaltung ist doch eher schlicht als elegant und hält leider nicht ganz, was das Cover verspricht. Der klassisch-kleinteilige Einstieg wirkt beliebig, und das Textniveau ist – trotz der wirklich großartigen Themenauswahl – durchwachsen.

So stehen neben guten Stücken, etwa über die Kulturgeschichte der Kuh oder über Primatologen von Fossey bis heute von Cord Riechelmann, auch mäßig redigierte Texte, die man getrost bis auf die halbe Länge hätte kürzen können – ausnehmend schmerzhaft ist hier eine achtseitige Räuberpistole über eine Fotosafari im Kruger-Nationalpark. Immerhin ist sie mit schönen Fotos vom Afrikanischen Wildhund illustriert, inklusive der blutigen Tötung eines Großen Kudus, woran sich einmal mehr der unverklärt-wissenschaftliche Impetus von Zoón zeigt. Der im Übrigen auch für etwas spezialistische Themen sorgt, etwa die Frage, ob es angesichts von Erbgut-Analysen nicht korrekter wäre, Menschen, Schimpansen und Bonobos zu einer Gattung zusammenzufassen.

Grzimeks Erben

Herausgegeben wird Zoón vom Münsteraner Natur und Tier Verlag (NTV), der bislang nur Fachbücher und -magazine wie Reptilia, Rodentia und Koralle publiziert hat. Als „wichtigen Schritt und logische Konsequenz“ für seinen Verlag bezeichnet NTV-Gründer Matthias Schmidt Zoón.

Zusammen mit Christoph Grzimek wollte Schmidt schon seit mehreren Jahren einen Nachfolger für das 2000 eingestellte Das Tier schaffen – das erste deutsche Tiermagazin, 1959 von Grzimeks prominentem Großvater Bernhard gegründet. „Als Insa und Viktor mit ihrem Konzept kamen, haben wir dann Nägel mit Köpfen gemacht.“

Die Startauflage von Zoón liegt bei rund 53.000 Exemplaren „die Hälfte zu verkaufen wäre toll, ein Drittel wäre auch okay“, sagt Matthias Schmidt. Unabhängig davon sei das Erscheinen von Zoón mindeEstens für dieses Jahr gesichert. Im Zweimonatsrythmus wird es weitergehen, die Titelthemen der kommenden Ausgaben sind Angriffsstrategien und Brunft. Und danach? „Ich würde mich wundern, wenn Zoón so schwach läuft, dass wir es 2011 einstellen.“