Mittelhochtief

Hammergruppe oder Losglück? Die deutsche WM-Gruppe ist keines von beidem. Der Sportboulevard kann dennoch zufrieden sein. (veröffentlich auf taz.de am 7. Dezember)

Es ist schon putzig mit der deutschen Sportpresse, die so gern alle Ergebnisse und Ereignisse nur in schwarz oder weiß wahrnehmen möchte. „Glück gehabt“ und „lösbare Aufgaben“, stand im ersten Text auf Spiegel Online direkt nach der Auslosung der Gruppen der Fußball-WM 2014 in Brasilien. Bild.de sprach parallel hingegen von einer „Hammer-Gruppe für Jogi“, die bloß noch von der „Horror-Gruppe“ mit England, Uruguay und Italien getoppt wurde.

Was passiert war? Deutschland hatte, sowas kann ja mal passieren, mit Portugal, den USA und Ghana aus jedem der drei Töpfe zwar eines der besseren Teams zugelost bekommen, aber eben nicht genau dreimal das härteste. So ist man nun insgesamt in einer der stärksten Gruppen gelandet – wohl nicht so heftig wie die Gruppe B mit Holland, Spanien und Chile bzw. die England-Gruppe D, aber klar vor etwa der C-Gruppe mit Kolumbien, der Elfenbeinküste, Griechenland, Japan oder der E-Gruppe mit der Schweiz, Frankreich, Ecuador und Honduras.

Für Deutschland wird in dieser Konstellation jedes Spiel zu einer Herausforderung, aber, natürlich, ist die Mannschaft Favorit auf den Gruppensieg und der Achtelfinaleinzug ist insgesamt eine machbare Aufgabe – was angesichts der Lostopfzusammensetzung und der aktuellen Spielstärke der deutschen Elf übrigens noch kein Losglück ist, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Glück offenbart diese Auslosung allerdings auf den zweiten Blick, wenn man einen Schritt weitergeht und sich mögliche Wege durch den KO-Baum des Turniers vorstellt. Da sieht man, dass mit Brasilien, Holland, Italien und Spanien vier der Mitfavoriten auf den Titel erst als Halbfinalgegner möglich sind, mindestens zwei von ihnen sich aber vorher schon hübsch gegenseitig aus dem Turnier genommen haben werden. Auch England, Uruguay, Mexiko und die Elfenbeinküsten, Chile und Kolumbien spielen in dieser Baumhälfte.

Auf der deutschen Seite sind Argentinien, das unberechenbare Frankreich und die allgemein als Geheimfavorit geltenden, aber ohne Turniererfahrung ausgestatteten Belgier die größten Namen, daneben traut man allenfalls noch Russland etwas zu. Dieser Weg würde – immer vorausgesetzt man scheidet nicht schon in Gruppe aus – vielleicht kein leichter sein, aber unfassbar steinig und hart ist er dennoch nicht.

Großes Losglück bedeutet die deutsche Gruppe übrigens auch für den deutschen Sportboulevard. Die USA mit Jürgen Klinsmann, Ghana mit Kevin-Prince Boateng, Portugal mit Cristiano Ronaldo – besser hätte es kaum laufen können, jedes Spiel lässt sich mit wunderbar mit Personality-Storys vor- und nachbereiten und auf lästige Dinge wie Spielsysteme und Taktik muss nicht weiter Rücksicht genommen werden.