Der Reggaeclub aus dem Güllegürtel

Rasta Vechta hat den Durchmarsch aus der dritten Liga in die Basketball-Bundesliga geschafft. Dort setzt man auf vertrautes Personal – und einen guten Namen. (aus der taz vom 2. Oktober 2013)

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Zum 13-Uhr-Training ist auch der Zoll gekommen. Dabei haben die Besucher in den dunkelgrünen Overalls gar kein Interesse an den Wurfübungen der Basketballer von Rasta Vechta. Sie sind hier, um die Arbeitsgenehmigungen der Handwerker zu überprüfen. Ein Routinetermin.

Denn kurz vor dem ersten Bundesligaspiel in Vechtas Vereinsgeschichte ist der Rasta Dome noch eine Baustelle. Es werden Stuhlreihen angeschweißt, im VIP-Bereich wird der Boden gebohnert, ein Praktikant und ein FSJler tragen die Papierbahnen der Werbebanden vom Spielfeld.

Der Hallenausbau auf über 3.000 Zuschauerplätze ist verpflichtend für den Aufsteiger in die Basketball-Bundesliga (BBL). Sechs Meter wird die Halle dafür breiter gemacht und ein neuer Oberrang eingezogen. Die neuen Standkorbanlagen sind bereits installiert, die LCD-Displays für die Spielstände gerade mit dem Schiff aus China angekommen. „So dick war der Stapel mit den Auflagen“, sagt Manager Alexander Müller und deutet einen halben Meter hohen Papierberg in der Luft an.

Dabei hatte man die Halle erst im Sommer 2012 gebaut, in bloß fünf Monaten. Da war Vechta erstmals in die ProA, die zweithöchste deutsche Liga, aufgestiegen. Die Mannschaft galt als Abstiegskandidat, verlor die ersten drei Spiele – und schaffte danach den Durchmarsch in die BBL. Der vorläufige Höhepunkt eines Wegs, der in den späten 70ern als AG des Vechtaer Gymnasiums Antonianum begann.

Fünf Spieler aus Liga drei

In die neue Spielzeit geht Vechta gleich mit sieben Spielern aus dem Aufstiegskader, fünf waren sogar schon in Liga drei dabei. Ein ungewöhnliches Wagnis im Hire-and-fire-Sport Basketball, das Trainer Pat Elzie aber gern eingeht: „Der Großteil der Jungs hat sich das verdient“, sagt er. Dabei setzt Elzie vor allem auf Spielmacher Richard Williams, 2013 in der ProA zum wertvollsten Spieler gewählt.

Hinzu kommen Neuzugänge wie der aus der kanadischen Profiliga gewechselte 130-Kilo-Center Isaac Butts. „Er bringt die Masse mit, die wir in der BBL brauchen“, so Elzie. Butts soll unter den Brettern den 2,12-Meter-Mann Dirk Mädrich unterstützen, der beide Aufstiege mitgemacht hat und als einer von nur drei Rasta-Spielern BBL-Erfahrung hat. „Er ist unser Leitwolf, er hat einen unglaublichen Wurf für seine Größe“, sagt Coach Patrick Elzie über Mädrich.

Die Offensive, die in der ProA 91 Punkte pro Spiel machte, scheint gerüstet. „Aber man muss in der Ersten Liga gut verteidigen, da gibt es ein ganz anderes Niveau als in der ProA“, sagt Pat Elzie, „und wir müssen unsere Fehler minimieren.“ 22 Ballverluste wie bei der Niederlage im vorletzten Testspiel gegen Ligakonkurrent Bayreuth wird man sich im Auftaktspiel am 3. Oktober in Trier bestimmt nicht leisten können.

Teamgeist über alles

Elzie selbst ist unbestritten der Vater des Erfolgs: Seit 1984 arbeitet er, von kurzen Stationen in Syrien und Zypern abgesehen, als Spieler und Trainer in Deutschland, vor dreieinhalb Jahren kam er nach Vechta. Der 53-Jährige vereint eine natürliche Autorität mit Herzlichkeit. Man nimmt ihm ab, wenn er immer und immer wieder das Mantra sämtlicher Außenseiter der Sportwelt beschwört und den Teamgeist als große Stärke von Rasta Vechta herausstellt: „Zusammen ist alles möglich. Bei uns können mehrere Spieler Top-Scorer sein und den entscheidenden Wurf nehmen.“

Ein weiterer Trumpf des Vereins ist sein Name. Rasta ist kein Sponsor, es geht tatsächlich um Reggaemusik: 1979 wollte die Basketball-AG vom Antonianum einen Verein gründen, und als über den Namen beraten wurde, lief „Rastaman Vibrations“ von Bob Marley.

Heute sichert der Teamname Medienaufmerksamkeit und Vermarktungspotenzial, man wirbt mit „Rasta ist der geilste Club der Welt“, die Cheerleader nennen sich die „Marleys“. Sogar in der größten Tageszeitung Jamaikas stand schon ein Artikel. Deswegen hat sich Vechta in der Liga von Namensungetümen wie den New Yorker Phantoms Braunschweig auch bewusst gegen ein Namenssponsoring entschieden. „Weil wir das nicht wollen“, sagt Manager Alexander Müller.

Tiefschwarze Heimat

Der FC St. Pauli der BBL ist Vechta dennoch nicht, denn Rastas Heimat hat mit Alternativkultur wenig zu tun. Vechta liegt zwischen Oldenburg und Osnabrück und bildet mit dem Nachbarkreis Cloppenburg eine katholische Insel in den Weiten der niedersächsischen Tiefebene. Hier erreichte die CDU bei der Bundestagswahl über 60 Prozent, hier liegt die Geburtenrate deutlich über und die Arbeitslosenquote deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Die Region boomt. „Güllegürtel“ wird sie auch genannt. Riesige Hühner- und Schweinemastbetriebe prägen das Bild.

Auch Stefan Niemeyer ist auf diese Weise wohlhabend geworden. Dem Mäzen und langjährigen Vereinspräsidenten von Rasta gehört ein Futtermittelunternehmen. Niemeyer ist ein bulliger, hemdsärmeliger Mann, der sich nach der Saisoneröffnungs-Pressekonferenz mit den Sponsoren – der lokale Versicherer, die lokale Landessparkasse, seit neuestem ist auch der lokale Energieversorger dabei – das Jackett so schnell wie möglich wieder auszieht.

Vorher hatte er zufrieden erklärt, dass der Aufstieg nicht nur ein positiver Ausrutscher war: „Wir haben das feste Ziel, Basketball auf diesem Niveau in Vechta zu etablieren.“ Warum auch nicht? Rastas Vorbereitung verlief mit sieben Siegen und zwei Niederlagen erfolgreich. Das Team wurde früh zusammengestellt und ist entsprechend eingespielt. Und mit einem Etat von rund 1,5 Millionen Euro liegt man zwar im unteren Ligadrittel, aber auch nicht abgeschlagen am Ende der BBL.

Deswegen hat auch Coach Pat Elzie große Ziele: „Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen“, sagt er. „Wir wollen möglichst früh mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Die Spieler haben die Qualität. Aber es wird eine knüppelharte Saison.“