Demnächst auch in Ihrem Möbelmarkt

KOLUMNE FERNSEHEN Stewardessen präsentieren das Wetter in Bahrain, während Megamaschinen Island fressen. Oder so ähnlich. (aus der taz vom 16. Dezember 2013)

Ein Bett wollte ich kaufen. Ich hatte nicht viel Geld. Also ging ich zu Möbel Kraft, einer Einrichtungskette der eher unteren Preiskategorie. Man kriegt hier Bettgestelle für 150 Euro, und damit der Einkauf zum Erlebnis wird, gibt es alles, was Ikea auch hat, bloß nachgebaut aus Pfeifenreinigern und buntlackiertem Pappmaché:

Ein trostloses Kinderland, vor dem ein sprechender Baum steht, ein Restaurant ohne Fenster und eine kleine Kaffeebar. Dort trank ich einen Latte macchiato und guckte mir auf einem Flachbildschirm an, wie eine Frau in Stewardessenuniform eine Wettervorhersage präsentiert.

Es lief N24. The Technikreportagensender-mit-Vormittagsnachrichtenstrecke formerly known as Vollzeitnachrichtensender. Es war irgendwie surreal. Warum das? Warum hier? Schnell vorm Sofakauf noch eine Reportage über den „Power Tower in Bahrain“ geschaut? Sich beim Küche-Aussuchen über „Mega-Maschinen“, die „Felsenfresser von Island“ oder „Britanniens Brücken“ informieren?

Irritierend war aber nicht nur die Senderauswahl, sondern dass da überhaupt ein Fernseher war. Ich war ja nicht in den USA, wo selbst in besseren Restaurants Bildschirme über der Bar hängen und ich am Schalter des Alamo-Autoverleihs am Louis Armstrong New Orleans International Airport den pathostriefenden Auftakt der NFL-Saison mitverfolgen kann.

In Deutschland haben nur ausgewählte Wirte ausrollbare Leinwände, die lediglich an Champions-League- oder „Tatort“-Abenden zum Einsatz kommen. Dazu zeigen allenfalls ein paar Banken und businessaffine Hotels n-tv, dessen Programm zu zwei Dritteln aus der „Telebörse“ besteht.

Das liegt natürlich auch daran, dass uns die Sender für so was fehlen: Die öffentlich-rechtliche Nachrichtenkompetenz verpufft im Dickicht zahlloser Sonderkanäle, die private Konkurrenz … nun ja: In der „Tagesschau“ laufen gern mal übernommene Bilder von BBC, al-Dschasira und CNN. Können Sie sich vorstellen, dass umgekehrt im amerikanischen Fernsehen „Exclusive footage“ von n-tv oder N24 gezeigt wird?

Anfang Dezember wurde nun ein neues Pferd ins Nebenbei-Berieselungs-Rennen geschickt: Sky Sport News HD (das HD ist ein lustiger Zusatz, den Sie sich nicht merken brauchen, weil er bald obsolet ist; als hätte es damals „Tele 5 in Farbe“ oder „Pro7 mit Videotext“ geheißen), kurz: SSN. Das ist natürlich keine deutsche Erfindung, in den USA gibt es schon seit 15 Jahren ESPNews – aber hey, immerhin.

Was man von SSN im bisherigen Sendebetrieb erleben konnte, waren Sportnachrichten für ADHS- und Alzheimer-Kranke: Die immer gleichen News werden immer wieder aufs Neue abgefeuert und angeteasert. Angelegt sind die Sendestrecken auf eine halbe Stunde, gefühlt wiederholt sich alles im Fünfminutentakt. Zudem funktioniert SSN auch ohne Ton: unten gibt es eine Newsleiste, rechts eine Statistikbox, und die Bewegtbilder von Sportlern sind ohne Sprache eh meist schmeichelhafter.

Ideal also für Wartebereiche, Flughafen-Lounges, Sportbars oder Fitnessstudios. Und demnächst auch in Ihrem Möbelmarkt.